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NEUES AUS
DER MUSIKWELT
Diverse Kom ponisten
BETWEEN WORLDS
GABOR
A ntonio V ivaldi
TROMBA VENEZIANA
K ry s tia n A d a m , Jo h a n n e s S ch e n d e l u. a., RIAS
K a m m e tc h o t, L 'A rte d e l M o n d o , W e rn e r E h rh a rd t
D H M /S o n y CD____________________________________[ 6 9 ]
Als 1792 der schwedische König
Gustav III. an den Folgen eines At-
tentates gestorben war, hatte sein
Kapellmeister Josef Martin Kraus al-
le Hände voll zu tun. Für die extrem
aufwändige Trauerzeremonie muss-
te Musik geschrieben werden: eine
Sinfonie für die Aufbahrung und ei-
ne Kantate für die eigentliche Beiset-
zung. Gerade einmal 14 Tage standen
für die Komposition des Instrumen-
talwerks zur Verfügung, weitere vier
Wochen für die Kantate. Innerhalb
dieser Fristen hat Kraus zwei Meis-
terwerke geschaffen, die bereits sei-
nen Zeitgenossen höchsten Respekt
abnötigten. Der erst 36-jährige Kom-
ponist konnte den Ruhm nicht lange
genießen, er selbst starb gut ein hal-
bes Jahr später.
Mit Concerto Köln hat Werner Ehr-
hardt schon vor einigen Jahren viel
dazu beigetragen, dass der Name
Josef Martin Kraus hierzulande über-
haupt jemandem etwas sagt. Die
mustergültige Einspielung der Sinfo-
nien des deutschstämmigen schwe-
dischen Hofmusikers war der Auftakt
zu einer intensiven Auseinanderset-
zung Ehrhardts mit Kraus’ völlig zu
Unrecht vernachlässigtem Œuvre.
Wie kunstvoll und originell dieses
in weiten Teilen ist, zeigt nicht zu-
letzt die vorliegende Neuproduktion.
Zwar sind die beiden eingespielten
Werke alles andere als leicht verdau-
liche Kost, aber ihre kompositorische
Finesse und die glaubhafte und au-
thentische musikalische Umsetzung
der Volkstrauer lassen ahnen, wa-
rum diese Musik den Schweden des
ausgehenden 18. Jahrhunderts sehr
zu Herzen gegangen ist.
Neben seinem Orchester L’Arte del
Mondo standen Ehrhardt für die In-
terpretation ausgesuchte Kräfte zur
Verfügung: Der RIAS Kammerchor
macht seinem Ruf als Elite-Vokalen-
semble alle Ehre, und die vier Vokal-
solisten setzen dieser Produktion
Glanzlichter auf.
Arnd Richter
MUSIK ★
KLANG ★
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A v i A v ita l
D G /U n iv e rs a l CD________________________________ [ 6 6 ]
Nach seiner Debüt-CD mit Bach
macht sich Avi Avital auf Spuren-
suche in der Musik verschiedener
Kulturen - indem er etwa Stücke
klassischer Komponisten, die von
der Volksmusik inspiriert sind, zu-
rückübersetzt und nun dem Volks-
musik-Ton seiner Mandoline anver-
traut. Rumänische Tänze von Bartok
tauchen da ebenso auf wie spani-
sche Gesänge von de Falla und Klez-
mer-Improvisationen mit Giora Feid-
man. Viele kurze Stücke, viel schmis-
sige Virtuosität, viel melancholische
Gesanglichkeit. Soll volkstümliche
Kunst sein, driftet aber auch in
Richtung künstliche Volkstümlich-
keit.
Hau
MUSIK ★
KLANG ★
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B o ld o c z k i, N a ra ria k o v , C a p e lla G a b e tta , A . G a b e tta
S on y CD____________________________________________ [ 6 7 ]
Auf der heutigen Ventiltrompete las-
sen sich mühelos Holzbläser- oder
Streicherpartien
barocker Wer-
ke notengetreu spielen. So ist es
zur Tradition geworden, das nicht
eben reichhaltige Konzertrepertoi-
re für Trompete auf diese Weise be-
trächtlich zu erweitern. Gabor Bol-
doczki hat sich acht Vivaldi-Kon-
zerte für verschiedene Instrumen-
te und Arien ausgesucht. Er über-
zeugt virtuos in den quirligen Eck-
sätzen und betört in den langsa-
men Mittelsätzen mit butterweichen
Kantilenen. Moderne Trompete und
darmbesaitetes Streicherensemble
erweisen sich jedoch klanglich als
inkompatibel.
Ho.Ar.
MUSIK ★
KLANG ★
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Paul H indem ith
COMPLETE VIOLA WORKS, VOL. 2
T abea Z im m e rm a n n , T h o m a s H o p p e
M y r io s /H M 2 CDs_______________________________ ( 8 0 }
Hindemiths Ruf eines spröden,
umständlichen Rechthabers der
Neutönerei nimmt Tabea Zimmer-
mann charmant allen Wind aus den
Segeln. Atemberaubend tonschön,
schlackenlos und lässig widmet sie
sich den Viola-Sonaten eines Kom-
ponisten, der tatsächlich ein virtuo-
ser Bratscher gewesen sein muss.
Auf seinem ureigensten Instrument
zeigt er sich von seiner besten, un-
terhaltsamsten Seite. So dass man,
zumal durch den hier leichtfüßig
gesanglichen Vortrag, fast den Ein-
druck eines ironischen Belcantisten
des 20. Jahrhunderts gewinnt. So
melodisch flüssig, ungezwungen
und elegant strömt diese M usik
dahin. Farbenprächtig und orches-
tral auffächernd lässt Tabea Zim-
mermann alle Nüchternheit verflie-
gen, sogar in den vier Solosonaten,
die man sonst gelegentlich als star-
ken Tobak empfand. Auch Beglei-
ter Thomas Hoppe (in den drei So-
naten mit Klavier) agiert hellwach,
offensiv und witzig, ohne sich hin-
ter seiner musikalischen Partnerin
zu verstecken. Es ist, als hätte man
Hindemith jahrelang missverstan-
den und unterschätzt. Ein frappie-
render Beitrag. Im Grunde die Kam-
mermusik-Entdeckung des Jahres.
KLK
MUSIK ★
KLANG ★
Das DR-Logo gibt den Dynamikumfang des Tonträgers an. Nähere Infos unter www.stereo.de
KLASSIK
Mo»»'5'
Sergej P rokof
KLAVIERWERKE OP. 12,17,29 U .A .
E vgenia R u b in o v a
C A v I/H M CD_______________________________________( 7 1 ]
Der selbstgeschriebene Beiheft-Text
ist genauso klar formuliert wie ihr
Klavierspiel. Evgenia Rubinova stellt
Prokofjew als jenen Komponisten
vor, der seine „unverwechselbare
Handschrift“ darin fand, indem er
seine mal expressiv-moderne, mal
ironisch-witzige, mal elegisch-lyri-
sche Tonsprache in klassische For-
men goss. Sie konzentriert sich in ih-
rer Programmwahl (abgesehen von
op. 96) auf frühe Werke und bietet
neben Bekanntem wie der vierten
Sonate und den Sarkasmen auch
Raritäten wie die zehn Klavierstücke
op. 12 und vor allem die „Schehera-
zade-Fantasie“. Diese spielt sie in
einer eigenen Bearbeitung, die auf
Prokofjews Rollenaufnahme basiert.
Wunderbar kommt so der Unter-
schied zwischen der üppig schwel-
genden spätromantischen Kompo-
sitionsweise von Prokofjews Leh-
rer Rimskij-Korsakow und dem ganz
eigenen Stil des noch berühmteren
Schülers zum Ausdruck. Denn ob-
wohl Prokofjew in den zehn Klavier-
stücken op. 12 auf Satzbezeichnun-
gen wie Gavotte, Mazurka, Capric-
cio oder Scherzo zurückgreift, kenn-
zeichnen die kleine Juwelen - mal
geistreich-humorvoll (Marsch), mal
funkelnd (Prelude), mal ungeschlif-
fen (Allemande) - doch bereits einen
ganz eigenen Personalstil, der etwa
in den Sarkasmen op. 17 nur eine
wesentlich härtere Ausformung er-
hielt. Ein frühes Meisterwerk stellt
ebenfalls Prokofjews vierte Sona-
te dar, die Evgenia Rubinova zwar
auch im „Andante assai“ ungewöhn-
lich zügig spielt, die sie aber in ih-
rer ganzen emotionalen Vielschich-
tigkeit erfasst.
Die Pianistin interpretiert Prokof-
jew mit einer geradezu kontrapunk-
tischen Klarheit, bis in die letzte dy-
namische Nuance differenziert, da-
bei nie akademisch trocken, son-
dern stets auch kantabel und äu-
ßerst klangsinnlich. Eine neue Re-
ferenzaufnahme.
Gregor Willmes
MUSIK ★
KLANG ★
STEREO 3/2014 14!
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